Was ist bei der Förderung grundsätzlich zu beachten?

Wenig hilfreich – basales Teilleistungstraining
In den vergangenen Jahrzehnten gingen manche Förderansätze davon aus, dass Störun- gen im Teilleistungsbereich, wie Störungen der visuellen oder auditiven Wahrnehmung, eng mit einer Rechenschwäche verbunden sind. Obwohl Teilleistungen direkt oder in- direkt an allen höheren Denkfunktionen, also auch dem Rechnen beteiligt sind, sind sie jedoch nicht typisch für das Auftreten einer Rechenschwäche. Auf dieser Auffassung basierende Förderansätze zielten in erster Linie auf das Trainieren dieser Teilleistungen ab und erst in zweiter Linie auf die Unterstützung des Fertigkeitserwerbs. Es wurde die defizitäre Teilleistung, nicht aber die Rechenfertigkeit als Ganzes trainiert. Es gibt bisher keine überzeugenden Belege, dass Trainings der Rechts- und Links-Orientierung oder der Händigkeit statistisch bedeutsame Verbesserungen der mathematischen Fähigkeiten erzielen können. Auch positive Effekte von Teilleistungstrainings für die Rechenleistungen sind bisher nicht belegt. Oft verbessert sich zwar die trainierte Teilleistung, ein Transfer auf die Schulleistung bleibt aber in den meisten Fällen aus.
Übung macht den Meister?
Für rechenschwache Kinder bedeutet viel Üben, dass sie viele Rechnungen zählend lösen. Der ineffektive Lösungsweg, den das Kind anwendet, wird häufig übersehen, weshalb das viele Üben keine nachhaltigen Erfolge bringt. Das zählende Rechnen und das Unverständnis werden dadurch verstärkt, was auch der Grund dafür ist, dass kein Automatisieren der Rechenwege stattfindet. Häufig wird die Ursache für das Ausbleiben der Erfolge fälschlicherweise als Gedächtnisproblem gesehen.
Wenig hilfreich – Anschauungsmaterial ohne pädagogische Begleitung zur Verfügung stellen
Rechengänge nachzuvollziehen ist für alle Kinder wichtig. Um den Kindern ein besseres mathematisches Verständnis zu vermitteln, ist der Einsatz von Materialien sehr hilfreich. Das Kind soll dadurch den Sachverhalt erfassen. Daher ist der Einsatz von geeignetem Anschauungsmaterial zum Erarbeiten von Zahlen und Operationen von besonders großer Bedeutung.
Jeder Materialeinsatz muss pädagogisch begleitet werden. Bei zählend rechnenden Kindern besteht die Gefahr, dass das Material nicht zum tieferen Verständnis von Rechen- operationen verwendet wird, sondern um durch Abzählen zu einem richtigen Ergebnis zu kommen. Nicht das Material selbst ist entscheidend für den Erfolg, sondern seine richtige Verwendung. Das Ziel dieser Arbeitsweise ist es, das Kind soweit zu unterstützen, dass der Einsatz von Materialien überflüssig wird.
Verstehen vor Automatisieren
Bei rechenschwachen Kindern wird das Auswendiglernen von kurzen Rechnungen häufig als letzte Möglichkeit zur Förderung gesehen. Im Zahlenraum 10 existieren alleine jedoch bereits 66 verschiedene Additionsmöglichkeiten und ebenso viele Subtraktionsmöglich- keiten, sodass unverstandenes Auswendiglernen nicht nachhaltig ist. Zählend rechnende Kinder sehen den Zusammenhang dieser Einzelfakten nicht. Wenn Kinder es dennoch schaffen, sich viele dieser Zahlenkombinationen ohne tieferes Verständnis zu merken, scheitern sie häufig an den Sachaufgaben oder aufbauenden Rechenoperationen, weil sich die Bedeutung der Rechenoperation noch nicht erschlossen hat. Automatisieren soll nicht an die Stelle des Verstehens treten!
Rechenoperationen im Zahlenraum 10 sollten am Ende des ersten Schuljahres verstanden, und anschließend automatisiert werden. Ist das gelungen, müssen Zahlensätze im Zahlenraum 10 nicht mehr abgeleitet werden, sondern sind bereits im Langzeitgedächt- nis abgespeichert. Das Erarbeiten von Ableitungsstrategien unterstützt auch das Automatisieren, weshalb ein Unterricht, der auf das Erforschen von Zusammenhängen ausgelegt ist, auch mit zeitlich begrenzten Automatisierungstrainings (5 bis 10 Minuten mehrmals in der Woche) kombiniert werden sollte (Gaidoschik, 2012). Das Automatisieren von verstandenen Rechenvorgängen entlastet den Arbeitsspeicher, was die Fehleran- fälligkeit und den Energieaufwand reduziert (Born & Oehler, 2011).